Talk 30.09.2024 – „Wir sind die Neuen“

Es waren nicht alle Neuen am Heidelberger Theater, die sich dem Freundeskreis im Probensaal vorstellten, denn eine Schauspielerin war krank, eine Sängerin mit dem Musiktheater in der Schweiz unterwegs. Aber die Tänzerin Ana Torre und die beiden Schauspieler Tim Knieps und Thorsten Hierse ließen sich mit Freude auf die Fragen des Freundeskreis-Vorsitzenden Joachim Gerner ein.
Tim Knieps kam frisch von der Schauspielschule in Bern an das Heidelberger Jugendtheater, wo er schon bei den Schlossfestspielen im Sommer auftrat. Während des Studiums bekam er Einblick in die Arbeit am Berner Theater, wo Armin Petras  „Die schwarze Spinne“ inszenierte. „Ich habe genossen, dass es bei Petras und im Ensemble keine Hierarchien gab“, erklärte Knieps. Unter Schauspieldirektor Roger Vontobel hatte der Eleve dann noch eine winzige Rolle in Bern. „Ich habe einen Kronleuchter gespielt“, amüsierte er sich  und fand vor allem die geflutete Wasserbühne cool. „Jetzt strebe ich nach größeren Rollen“, lachte der 26-Jährige.
Als Kind in einem Dorf in der Nähe von Köln habe er nie Zugang zu Kunst gehabt. Deshalb sei es ihm ein großes Anliegen, jetzt am Jugendtheater zu spielen. In „Pubertäter*innen“ gehe es um all das, was die Jugendlichen interessiere, vom Körper bis zum Rechtsruck in der Politik. Erst einmal hat sich Tim Knieps in Heidelberg gut eingelebt, nachdem er einen Zweijahresvertrag ergattert hatte – nach dem Absolvierenden-Vorsprechen vor vielen Intendanten in drei Städten und Bewerbungen an mehr als 50 Theatern in Deutschland. Es ist schwer, als Künstler auskömmlich zu leben, aber Knieps ist sich sicher: „Aus meiner jetzigen Perspektive will ich mein Leben lang Schauspieler sein.“
Thorsten Hierse kennt das schon. Er ist derzeit in „Der kaukasische Kreidekreis“ zu sehen und spielte auf dem Schloss in „Minna von Barnhelm“. Der 43-Jährige hat solch  illustre Namen wie das Schauspielhaus Hamburg und das Deutsche Theater Berlin, an dem er neun Jahre lang engagiert war, in seinem Lebenslauf stehen. Zum Schluss arbeitete er kurz in der freien Szene („wahnsinnig prekär“) und kam über den Kontakt zu  Brit Bartkowiak nach Heidelberg. Bartkowiak war von 2021 bis 2023 Oberspielleiterin am hiesigen Theater.
Hierse wurde 2010 in Hamburg mit dem Boy-Gobert-Preis der Körber-Stiftung für Nachwuchsschauspieler ausgezeichnet. Eine Ehre, die vor ihm etwa auch Fritzi Haberlandt und  oder Ulrich Tukur zuteil wurde. Gern erinnert er sich an ein kleines freundschaftliches Team am Jungen Schauspielhaus in Hamburg, wo alles Spaß machte und alles Bedeutung erlangte. Ganz anders Berlin, wie er erzählte: Qualitativ tolle Leute, aber weniger Teamgefühl erwarteten ihn da. Den sensiblen Schauspieler plagte plötzlich sogar Bühnenangst. Sein Beruf fühlte sich nicht mehr als erfüllend an, und mit seinen Rollen sei er nicht einverstanden gewesen, sagt er.
In Heidelberg will er das „Ensemblige“ wieder finden. Für seine beiden Kinder von fünf und zweieinhalb Jahren hat Hierse bereits eine Kita gefunden. Und seine Frau, die belgische Autorin und Regisseurin Suzanne Emond, wird im Zwinger das Stück „Unter euch“ inszenieren. Es ist, sagt die Programmvorschau, eine Liebeserklärung an die Mehrsprachigkeit und an Europa des Autors Thomas Depryck. Dieser hatte 2016 den Internationalen Autorenpreis des Heidelberger Stückemarkts gewonnen.

v.l.n.r. Thorsten Hierse, Tim Knieps, Dr. Joachim Gerner, Ana Torre, Foto: Birgit Sommer

Ana Torre, die portugiesische Tänzerin aus Madeira, lernte klassisches Ballett in Lissabon und Contemporary Dance in Rotterdam. Ana Torre kam über Pforzheim, Osnabrück und Bielefeld zum Ensemble von Iván Pérez in Heidelberg. Für ihn und seine Arbeit schwärmt sie geradezu: Sie liebe die Art, wie er den Körper der Tanzenden sehe, wie fair und respektvoll er seine Tänzer behandle, wie er ihnen Vertrauen in sich selbst vermittle.

In Osnabrück hatte die 32-Jährige bereits ihr eigenes Stück choreografiert. Zum Saisonende kann sie es wohl auch in Heidelberg zeigen. Seit Juli hier, fühlt sich Ana Torre in Heidelberg sehr willkommen: „Very beautiful place, very nice people“, sagt sie, die sich die deutsche Sprache noch nicht so richtig zutraut, wird in Tanzensembles doch grundsätzlich Englisch gesprochen.

Birgit Sommer, RNZ v. 09.10.2024

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